Mit Vermögen wirken
Kapitalanlage und Philanthropie fussen auf unterschiedlichen Logiken – hier Erwartungen an Rendite, dort an gesellschaftliche Wirkung. Wie lassen sie sich vereinen?
«Meine Stiftung hat nur ein kleines Vermögen. Bei der Vermögensanlage kommt es mir vor allem auf langfristige Sicherheit, niedrige Kosten und planbare Ausschüttungen an, damit ich immer genügend Mittel für die Stiftungsarbeit zur Verfügung habe.»
«Ich möchte, dass mein Geld auch bei der Vermögensanlage schon wirksam wird. Zum einen lege ich das Vermögen meiner Stiftung besonders nachhaltig an. Zum anderen investiere ich direkt in einige Social Businesses, die zwar nicht viel Gewinn abwerfen, aber Lösungen für wichtige Probleme anbieten.»
Vom Grundsatz her folgen die Welten der Kapitalanlage und der Philanthropie unterschiedlichen Logiken: Bei der Vermögensverwaltung steht das Verhältnis von Risiko und Rendite im Vordergrund. Bei der Philanthropie geht es um gesellschaftliche Wirkung.
Viele Philanthropen denken jedoch inzwischen die beiden Welten zusammen: Sie schenken den – positiven oder negativen – gesellschaftlichen Folgen ihrer Investitionsentscheidungen besondere Aufmerksamkeit. Gleichzeitig überlegen sie, wie sie die Wirkung ihres philanthropischen Engagements durch gezielte Investitionen ihres (Stiftungs-) Vermögens vergrössern können.
Wer sich mit dem Gedanken beschäftigt, Vermögen wirkungsorientiert zu investieren, wird zunächst von einer Vielzahl von Konzepten und Abkürzungen erschlagen. Letztlich geht es dabei immer darum, eine Anlageform oder ein spezifisches Investment nach zwei Gesichtspunkten einzuordnen – wirtschaftliche Performance einerseits, gesellschaftliche Wirkung andererseits.
Eine Schwierigkeit besteht darin, dass es für beide Dimensionen keine eindeutigen Kriterien gibt, welche Anlage für den Philanthropen oder die Stiftung «richtig» ist.
Kriterien für die wirtschaftliche Performance
Ob eine Anlage oder ein Investment passt, lässt sich nur im Vergleich zum Anlageziel des Investors beurteilen. Traditionell möchten die meisten Stiftungen wenig Risiko, wenig Kosten und planbare Ausschüttungen. Andere Stiftungen legen mehr Wert auf eine langfristig hohe Wertsteigerung und nehmen dafür höhere Risiken und kurzfristig auch erhebliche Wertschwankungen in Kauf.
Mit Hilfe von Indikatoren für die kurz- und langfristige Rendite, Rendite, für Risiko und Volatilität versuchen Vermögensmanagerinnen und -manager, passende Anlageformen auszuwählen. Nicht vergessen werden darf, dass jede Anlage eine Wette auf eine ungewisse Zukunft bleibt – Daten aus der Vergangenheit geben Anhaltspunkte, doch selbst festverzinsliche Wertpapiere eines Emittenten mit guter Bonität können sich als riskant entpuppen, wenn sich die wirtschaftliche Lage ändert.
Kriterien für gesellschaftliche Wirkung
Zur Beschreibung der (erwarteten) gesellschaftlichen Wirkung einer Anlage oder eines Investments gibt es keine etablierten Kategorien wie «Risiko» und «Volatilität». Zwar werden allenthalben Investments nach «ESG»-Kriterien angeboten (kurz für: Environmental, Social, Governance – Umwelt, Soziales und Unternehmensführung). Auch gibt es so genannte «Impact-Investing»-Produkte. Dieser gesamte Marktbereich befindet sich aber noch in einer frühen Phase.
Viele Einschätzungen beruhen auf unklaren oder proprietären Kriterien oder beschränken sich auf einen «best-in-class»-Ansatz, in dem ähnliche Unternehmen miteinander verglichen werden. Zum Teil wird nur eingeschätzt, ob sich Risiken aus den Bereichen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung (ESG) negativ auf den Gewinn des Unternehmens auswirken können – über einen tatsächlich positiven gesellschaftlichen Beitrag des Unternehmens für eine gesündere Umwelt, für soziale Verbesserungen oder durch gute Unternehmensführung sagt ein solches Rating nichts aus.
Obwohl der Markt für Anlage-Produkte, die unter der Bezeichnung «Impact Investing», als «Socially Responsible Investing» oder ähnliches vermarktet werden, in den letzten Jahren geradezu explodiert ist, sehen wir gesamtwirtschaftlich höchstens allererste Anzeichen einer Transformation der Wirtschaft hin zu mehr Nachhaltigkeit, Reduktion von Emissionen und weniger Ressourcenverbrauch.
Viel stärker noch als bei der wirtschaftlichen Performance kommt es bei der Einschätzung des erwarteten Impacts darauf an, die eigenen Ziele klar vor Augen zu haben. Sollen die Unternehmen, in die letztlich investiert werden, nur möglichst wenig Schaden anrichten?Was ist dann die Vergleichsgruppe: andere Unternehmen derselben Branche? Legt man sein Geld also in die «bessere» Öl-Firma oder den «nachhaltigeren»Energie-Erzeuger an? Oder sollen bestimmte Branchen gar nicht erst in Betracht gezogen werden, etwa Produzenten von Landminen oder Betreiber von Kohlekraftwerken ? Oder werden von der Geschäftstätigkeit positive gesellschaftliche Beiträge erwartet, etwa Investitionen in saubere Mobilität, das Erbringen sozialer Dienstleistungen, innovative Geschäftsmodelle, besonders faire Arbeitsbedingungen oder Beteiligungsmodelle für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter?
«Ich habe mich bei verschiedenen Vermögensverwaltern informiert. Ich habe keine Kapazitäten, mich im Detail mit der Vermögenanlage zu beschäftigen. Als einfache Lösung habe ich mich vorerst für die Anlage in Spezialfonds für Stiftungen entschieden, bei denen ESG-Kriterien berücksichtigt werden, die aber vor allem auf geringe Wertschwankungen und regelmässige Ausschüttungen ausgerichtet sind.»
«Ich habe für die Anlage des liquiden Stiftungsvermögens mit Hilfe von Beratern Anlagerichtlinien entwickelt. Dabei setze ich auf die Marktführer von nachhaltigen Zukunftsbranchen wie E-Mobilität, erneuerbare Energien oder umweltverträgliche Ernährungssicherheit. Ich nehme dabei auch einige Risiken und zunächst einmal niedrigere Renditen in Kauf. Ausserdem experimentiere ich mit Direktinvestitionen in Social Businesses.»
In Wirkung investieren – und damit Geld verdienen?
Mancher Philanthrop fragt sich, ob es überhaupt gelingen kann, in Wirkung zu investieren und gleichzeitig eine finanzielle Rendite zu erzielen. Andere stellen sogar aus moralischen Gründen in Frage, diese beiden Ziele gleichzeitig zu verfolgen – ist es ethisch vertretbar, mit einem gesellschaftlich relevanten Anliegen wie Gesundheit, Armutsbekämpfung, sauberem Wasser oder Bildung Geld verdienen zu wollen?
Diese Frage ist nicht leicht zu beantworten – und schon gar nicht kategorisch. In einer Marktwirtschaft werden gesellschaftlich benötigte Güter und Dienstleistungen aller Art nur ausnahmsweise von staatlichen Institutionen unmittelbar erbracht, etwa in den Bereichen Bildung oder Sicherheit. Ob Herstellung von Lebensmitteln oder Medikamenten, ob Dienstleistungen wie Pflege oder Handel oder der Bau von Infrastruktur wie Schulen und Strassen – überwiegend sind hier Unternehmen tätig.
Deren Logik ist, dass sie mit ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit mindestens ihre Kosten decken müssen – einschliesslich der Bezahlung der Beschäftigten und der Kapitalkosten, also der Renditen der Gesellschafter und Investoren. Gewinne erlauben den Unternehmen, zu wachsen und auch in schwierigen Phasen weiter zu existieren. Mit ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit erzeugen Unternehmen immer Wirkungen verschiedenster Art – sie verbrauchen Ressourcen, sie zahlen Löhne und Gehälter, sie stellen nützliche oder gefährliche Güter her, sie zahlen Steuern und Abgaben, sie erfinden neue Geschäftsmodelle und Produkte. Kaum ein Unternehmen glänzt in jeder Hinsicht als besonders nachhaltig und fair.
Bei der Vermögensanlage von Philanthropen kann es sogar zu offensichtlichen Widersprüchen kommen – zum Beispiel, wenn Stiftungen mit der Anlage in Aktien fossiler Energieunternehmen Renditen erwirtschaften, die sie anschliessend in Klimaschutzprojekte investieren. Bei der Vermögensanlage kommen Philanthropen also um die Frage der (Aus-) Wirkungen gar nicht herum. Solange der Markt hier noch keine schlüssigen Antworten bietet, bleibt es eine schwierige Aufgabe, sich hier «richtig» zu verhalten. In der Praxis arbeiten die meisten Stiftungen mit Anlagerichtlinien, die regelmässig überprüft und an die Entwicklungen des Marktes und die sich verändernden gesellschaftlichen Vorstellungen angepasst werden.