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Essay

Vernetzen, fördern, dranbleiben

von Anna Henrichsen

Die Sustainable Development Goals (SDGs) richten sich an Staaten, Unternehmen und Privatpersonen. Doch nur wenn auch Stiftungen ihren Beitrag leisten, ist es realistisch, die Ziele bis 2030 tatsächlich zu erreichen.

Weite Teile der Gesellschaft haben erkannt, dass wir die Art und Weise, wie wir miteinander und mit den Ressourcen des Planeten umgehen, deutlich verändern müssen. Ihren sichtbarsten Ausdruck hat dieses Vorhaben in den 17 Sustainable Development Goals (SDGs) der Vereinten Nationen gefunden, die 2015 auf dem Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung verabschiedet wurden (siehe dazu auch Inspiration «Nachhaltig engagiert»). Eine besondere Rolle bei ihrer Erreichung kommt dabei philanthropischen Organisationen wie Stiftungen zu. Anders als staatliche Institutionen können diese auch riskante, aber aussichtsreiche Initiativen unterstützen, und sie sind nicht wie Unternehmen darauf angewiesen, mit ihren Aktivitäten Gewinne zu erwirtschaften. Dies eröffnet ihnen ein spezifisches Handlungsfeld zwischen Staat und Markt.

Finanzielle Ressourcen für nachhaltige Entwicklung

In den Jahren 2016 bis 2019 investierten Stiftungen weltweit jährlich 40 Milliarden US-Dollar in globale Initiativen, die sich den SDGs widmen. Die SDG Philanthropy Platform (SDGPP) schätzt, dass philanthropische Organisationen bis 2030 insgesamt 651 Milliarden US-Dollar für die SDGs aufwenden.

Dennoch besteht nach wie vor eine Finanzierungslücke von jährlich 2,5 bis 3,5 Billionen Dollar für die Erfüllung der SDGs. Dies bietet umfangreiche Möglichkeiten für Stiftungen, sich im Sinne der SDGs zu engagieren.

Hohe Einsätze für die SDGs

In den letzten Jahren haben Stiftungen und Philanthropen Aufsehen damit erregt, sehr hohe Beträge zur Lösung drängender Probleme einzusetzen oder auszuloben. Solche «Big Bets» (zu deutsch: hohe Einsätze) zeichnen sich neben der Höhe der geplanten Förderungen durch eine hohe Risikobereitschaft aus.

Ein Beispiel dafür ist die Ausschreibung «100 and change». 2021 lobte die US-amerikanische MacArthur Foundation unter diesem Titel eine Förderung in Höhe von 100 Millionen Dollar für ein besonders ambitioniertes Vorhaben aus. Den Zuschlag erhielt schliesslich eine Organisation, die es sich vorgenommen hat, die Obdachlosigkeit in den USA nicht nur an wenigen Orten zu reduzieren, sondern ganz abzuschaffen.

Nach einer Untersuchung der Beratung Bridgespan werden viele dieser besonders hohen Förderungen unter Bezug auf die SDGs konzipiert. Aber auch mit kleineren Beträgen können bedeutende Fortschritte erzielt werden.

Stiftungen können beispielsweise kleinere Initiativen im Bereich des Klimaschutzes unterstützen. Die Stiftung Entwicklungszusammenarbeit Baden-Württemberg etwa fördert mit Landesmitteln zahlreiche Kleinstprojekte, die den SDGs entsprechen.

Ein weiteres Handlungsfeld ergibt sich für Stiftungen im Bereich der Vermögensanlage. Von einer an den SDGs orientierten Entwicklung des Anlage-Portfolios bis hin zum aktiven Impact Investing reicht das Spektrum der Möglichkeiten (siehe dazu auch Inspiration «Mit Vermögen wirken»).

Strategische Anpassung des Stiftungsprofils

Der Stiftungsleitfaden von Active Philanthropy beschreibt, wie Stiftungen ihre Spendenportfolios und -strategien anpassen können, um Massnahmen gegen den Klimawandel zu unterstützen: etwa indem sie Investitionen in den Bereichen Klimaschutz, Klimaanpassung, Kreislaufwirtschaft und nachhaltige Ressourcennutzung tätigen.

Thematisch eignen sich auch Projekte in den Bereichen gerechte und demokratische Gesellschaften, Gesundheit, benachteilige Gruppen, Bildung und Naturschutz. Dies betrifft insbesondere europäische Stiftungen, die aufgrund ihrer geografischen Lage und ihres Tätigkeitsfeldes bisher weniger von den direkten Folgen des Klimawandels betroffen waren.

Die Robert Bosch Stiftung beschloss 2018 eine Neuausrichtung. Zuvor wurden 34 verschiedene Themenbereiche gefördert, was dazu führte, dass das Profil der Stiftung unscharf wurde. Im Rahmen des Strategie-Prozesses wurden die Aktivitäten fokussiert. Da ein friedliches und nachhaltiges Zusammenleben nur durch globale Lösungen möglich ist, konzentriert sich die Stiftung seit 2020 auf die Fördergebiete Konflikte, Klimawandel, Migration und Ungleichheit.

Möchte eine Stiftung sich international vernetzen und sich selbst verpflichten, Maßnahmen gegen den Klimawandel zu verfolgen, gibt es die Initiative PhilanthropyForClimate, der bereits über 640 Stiftungen beigetreten sind. Die Stiftungsplattform Foundation 20 ist ein weltweiter Zusammenschluss von mehr als 80 Stiftungen, die sich für die SDGs und gegen die Klimakrise einsetzen.

Förderung von externen und eigenen SDG-Projekten

Stiftungen können auf mehreren Ebenen einen Beitrag zu den SDGs leisten. Zum einen können sie externe Projekte mit Bezug zu den SDGs fördern. Die langfristige Planung von Stiftungen in Kombination mit ihren finanziellen Mitteln ermöglicht, sich über einen längeren Zeitraum einem Projekt zu widmen, was andere Akteure nicht immer bewerkstelligen können.

Stiftungen verfügen über die Flexibilität, sowohl lokal als auch global im Sinne der SDGs aktiv zu werden. Sie können beispielsweise örtliche Tafeln unterstützen, um lokaler Armut entgegenzuwirken, aber auch darüber nachdenken, wie den 670 Millionen Menschen geholfen werden kann, die weltweit in extremer Armut leben.

Eine SDG-Orientierung von Stiftungen hat auch internen Einfluss. Sie motiviert die Mitarbeitenden, da sie sich als Teil einer globalen Initiative sehen, die weitreichende Verbesserungen ins Auge fasst und konkrete Auswirkungen hat. Die Auseinandersetzung mit der Rolle der SDGs in der eigenen täglichen Praxis kann das Verständnis für die Ziele und ihre Umsetzung vertiefen, beispielsweise im Hinblick auf das SDG-Ziel Nr. 12 für nachhaltigen Konsum und Produktion.

Stiftungen als Sprachrohr

Stiftungen spielen in der Gesellschaft eine wichtige Rolle, indem sie sich für bestimmte Themen einsetzen, einschließlich der SDGs. Mit ihrem Wissen können Stiftungen dazu beitragen, die SDGs bekannter zu machen und solche SDGs zu fördern, die noch nicht ausreichend berücksichtigt wurden.

Gemeinsam stark in Partnerschaften

Die SDGs erleichtern zudem die sektoren-, grenz- und themenübergreifende Kommunikation mit weiteren Stakeholdern. Dadurch können Stiftungen effektiv mit anderen Partnern zusammenarbeiten, um langfristige Lösungen zu finden und einen größeren Impact zu erzielen. Der «System Change»-Ansatz ist dabei hilfreich, da die starke Verknüpfung der SDGs einen ganzheitlicheren Ansatz erfordert.

Die Fähigkeit von Stiftungen, funktionsfähige Partnerschaften und langfristige Kooperationen einzugehen, ist auch für die Erreichung der SDGs von Vorteil. Dadurch können sektorenübergreifende Netzwerke mit Expertinnen und Experten und sogar Multi-Akteurs-Partnerschaften mit Regierungen und NGOs geschaffen werden.

Fazit

Indem Stiftungen ihre Kompetenzen und Ressourcen nutzen, können sie einen bedeutenden Beitrag zur Verwirklichung der SDGs leisten. Sie können Innovationen vorantreiben, sind unabhängig, vertreten verschiedene Themen, verfügen über vielfältige Erfahrung und können starke Netzwerke aufbauen.

Mit ihrer Fähigkeit, langfristige Perspektiven einzunehmen, können sich Stiftungen zudem für die dauerhafte Umsetzung der SDGs einsetzen. Zudem verfügen sie über finanzielle Ressourcen, um „unlösbare“ Probleme anzugehen oder langwierige Lösungsprozesse zu unterstützen. Damit tragen Stiftungen bereits heute dazu bei, eine nachhaltigere und gerechtere Zukunft zu schaffen.

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