Das richtige Anliegen finden
Dankbarkeit, eine lebenslange Leidenschaft, Anderen helfen, Know-how und Erfahrung weitergeben: Die Motive und Ziele für philanthropisches Engagement sind höchst individuell.
«Ich bin ein emotionaler Mensch, der Leid kaum ertragen kann. Wenn ich dies sehe, fühle ich mich verpflichtet, zu helfen. In meinem Leben hatte ich so viel Glück, welches ich gerne mit Anderen teile, die nicht so viele Möglichkeiten hatten.»
«Wir waren schon immer sehr zahlengesteuert-analytisch. Wir möchten objektiv wissen, wo die Not am grössten ist, dies selbst verstehen und dann dort mit unserem Geld helfen. Dabei verlassen wir uns nicht auf Bauchentscheidungen, sondern wollen genau erfahren, was wir wo bewirkt haben.»
Wie kommen Menschen zu ihrem philanthropischen Engagement?
Die Motive, sich philanthropisch zu engagieren, sind so vielfältig wie die Menschen: Die einen werden aus einem konkreten Anlass aktiv – nach einer überstandenen Krankheit oder im Angesicht einer Krise. Andere gehen mit ihrem Engagement einer lang gehegten Leidenschaft nach, für die sie jetzt endlich Zeit haben.
Manche verspüren ein Gefühl der Verantwortung und möchten «etwas zurückgeben», sind sich aber unsicher, wo und wie sie damit sinnvoll beginnen können. Und wieder andere sehen sich in einer familiären philanthropischen Tradition, in der sie schon von der Wiege an aufgewachsen sind.
Zugänge zur Philanthropie
Viele Stifter kommen zur Philanthropie in Folge eines prägenden Erlebnisses – eine überstandene Krankheit, der Verlust einer nahestehenden Person, ein nachhaltiger Eindruck auf einer Reise, ein Gespräch mit einer inspirierenden Persönlichkeit. Auf diese Weise entstehen häufig das Interesse an einem Thema und der Wunsch, selbst wirksam zu werden oder ganz konkret zu helfen.
Bei anderen entspringt die innere Überzeugung, sich für ein bestimmtes Thema einzusetzen, einem längeren Erfahrungs- oder Lernprozess. Die Wissenschaftlerin, die zum Klimaschutz forscht, der Ingenieur, der über seine ganze Karriere hinweg Lösungen für ein technisches Problem erarbeitet hat, die Lehrerin, die aus ihrer jahrelangen Praxiserfahrung heraus das Bildungssystem verändern möchte, oder der Unternehmer, der seine umfassende Expertise in der Führung von Organisationen und Menschen an Jüngere weitergeben möchte, sind Beispiele hierfür.
Einige der grössten Spenden der Welt gehen auf eine mäzenatische Haltung zurück. Ein selbst erarbeitetes oder ererbtes Vermögen versetzt jemanden in die Lage, Kunst, Kultur oder Wissenschaft mit einer Zuwendung oder Hinterlassenschaft zu fördern – oft verbunden mit dem Anliegen, etwas Bleibendes zum Wohle anderer zu hinterlassen. So manches Museum und mancher Hörsaal weisen mit ihrem Namen auf die Stifter hin.
Andere Philanthropen empfinden angesichts eines erfolgreichen, geglückten Lebens ein Gefühl der Dankbarkeit oder Verantwortung und möchten etwas Sinnvolles zur Gesellschaft beitragen, ohne dass in ihnen eine Leidenschaft für ein bestimmtes Thema brennt. Wem es weniger auf das «Was», als vielmehr auf das «Wie» beim Fördern ankommt, der kann sich etwa entscheiden, besonders effiziente Programme und Projekte zu fördern oder Sozialunternehmer beim Aufbau ihrer Organisationen zu unterstützen.
Die eigene Motivation ergründen
Je besser man sich der persönlichen Motive bewusst ist, desto leichter fällt es, die passende Form für das eigene Engagement zu finden.
Die meisten Philanthropen eint der Wunsch, mit ihrem Engagement etwas Sinnvolles zu bewirken. Dabei verbindet jeder etwas anderes mit dieser Erwartung – diese Vielfalt ist geradezu kennzeichnend für die Philanthropie und eine ihrer grossen Stärken. Gleichzeitig möchten sie durch ihr Engagement persönliche Zufriedenheit erreichen und sich darüber klar sein, wann sie ihren Beitrag selbst als erfolgreich empfinden.
Oft werden Philanthropen mit Fragen konfrontiert, die sie nicht leicht beantworten können: Zu welchem Thema (Umwelt, Gesundheit?) möchte man beitragen, wie überhaupt und in welcher Region (die eigene Stadt, das Heimatland?), und wer soll eigentlich gefördert werden (Kinder, Kranke…)?
Es gibt dabei kein richtig oder falsch und auch keine objektive Hierarchie gesellschaftlicher Bedürfnisse, deren Erfüllung von einem Philanthropen erwartet wird. Man muss unterscheiden zwischen objektiven Bedarfslagen und dem, was man selbst als sinnvoll empfindet. Daher wird in der Philanthropie oft der Begriff «sinnstiftend» verwendet.
Während Philanthropie-Experten dringende Bedarfslagen herausfinden und für diese effektive Lösungsansätze vorschlagen, kann die Frage, was man selbst als sinnstiftend empfindet, nur jeder für sich beantworten. Ein Musikliebhaber möchte Kindern das Erlernen eines Instruments ermöglichen, da ihn Musik selbst berührt hat, während ein Arzt Möglichkeiten für medizinische Hilfe für Bedürftige sucht, weil er deren Leid lindern möchte.
Interessant, aber auch umstritten ist der Ansatz der Effective Philanthropy-Bewegung, die eine gewisse Objektivierung von gesellschaftlichen Anliegen versucht: Wenn der Spenden-Franken im Ausland eine zehnfach höhere Wirkung erzielt als vor der Haustür, dann sehen die Vertreter dieser Denkschule eine moralische Pflicht zum möglichst wirksamen Mitteleinsatz.
Am Ende bleibt das konkrete gemeinnützige Engagement die höchstpersönliche Entscheidung des Philanthropen, die er auch nur vor sich selbst legitimieren muss.
Die eigenen Werte ergründen
Alle Menschen sehnen sich nach Sinn. Sind die grundlegenden Bedürfnisse erst einmal gestillt, kommen Fragen nach dem Sinn und Zweck des Lebens auf – und danach, was der eigene Beitrag für die Welt sein kann. Hinterfragen der eigenen Motive, die Auseinandersetzung mit dem eigenen Engagement – allein oder mit anderen – ist für viele Philanthropen Anlass, die eigenen Werte zu reflektieren. Nicht ungewöhnlich ist es, dass sich dabei Prioritäten neu ordnen.
Viele Philanthropen erleben dies als einen beglückenden Prozess, in dem ihre Persönlichkeit weiter reift und ihre Überzeugung gestärkt wird, sich für das Richtige einzusetzen. Andere entdecken Gemeinsamkeiten mit – oder auch Unterschiede zu – den Überzeugungen ihrer Familienmitglieder und führen tief greifende Diskussionen, für die es sonst keinen Anlass gegeben hätte.
Gutes Tun – aber wie?
Ein häufiger Abschnitt der stifterischen Reise: die Einsicht, sich in einem Herzensthema letztlich doch noch zu wenig auszukennen oder nicht alle Vor- und Nachteile verschiedener Formen der Förderung so gut zu kennen, dass man sich begründet für ein Vorgehen entscheiden mag.
Dann ist es Zeit, kompetente Beratung in Anspruch zu nehmen, denn das gut Gemeinte ist häufig gar nicht so leicht gut gemacht. Je genauer Stifter oder Spender dabei schon ihre Anliegen beschreiben können, um so zielführender gestaltet sich der Einstieg in den Beratungsprozess.
Nicht selten verändert sich die konkrete Ausgestaltung des geplanten Engagements im Prozess, und auch manch erfahrener Philanthrop überprüft von Zeit zu Zeit das bisherige Vorgehen. Das eigene Engagement reflektieren und neu aufstellen – auch das ist Ausdruck der schöpferischen philanthropischen Freiheit.
Stifter und Philanthropen verfolgen mit ihrem Engagement verschiedene Ziele – und manchmal mehrere gleichzeitig. Während es den einen vor allem darauf ankommt, gesellschaftlich wirksam zu werden oder ein bestimmtes Problem zu lösen, steht bei anderen der Akt des Schenkens selbst im Vordergrund. Sie erfreuen sich an der Dankbarkeit und an dem warmen Gefühl, etwas Gutes zu tun.
Andere wiederum legen darüber hinaus darauf Wert, genau zu erfahren, wie ihre Unterstützung wirkt – wie viele Personen erreicht wurden, was genau sich verändert hat und wie eine geförderte Organisation mit den Mitteln umgegangen ist.
Stiften und Spenden ist ein höchstpersönlicher Akt. Manche Philanthropen erlegen sich oder ihrer Stiftung strenge Regeln auf, nach denen Empfänger für Zuwendungen ausgesucht werden und über Förderungen entschieden wird. Andere entscheiden lieber situativ oder spontan oder behalten sich vor, auf ihr Bauchgefühl zu vertrauen.
Wer besonderen Wert darauf legt, möglichst wirksam Gutes zu erreichen, ist in der Regel gut beraten, ein schlüssiges Konzept für das eigene Engagement zu entwickeln und sich dabei professionell begleiten zu lassen.
Doch auch für spontane und eher von Emotionen geleitete Entscheidungen ist in der Philanthropie Platz – es muss nicht immer alles unternehmerisch geplant sein. Allerdings ist es sinnvoll, dann die eigenen Erwartungen an Wirksamkeit oder deren Transparenz dem Vorgehen anzupassen.
Kurs halten oder umsteuern
Fast alle Philanthropen erleben auf ihrer stifterischen Reise Momente der Verunsicherung. Ist das Thema, für das sie sich entschieden haben, wirklich das relevanteste? Haben sie die richtigen Partner und Organisationen ausgesucht? Geben sie zu viel oder zu wenig, zu früh oder zu spät im Leben?
Manche suchen dann Rat bei Experten und Beratern, andere bei anderen Philanthropen oder im Kreis von Freunden und Familie, wieder andere machen diese Fragen am liebsten allein mit sich selbst aus.
Diese Phasen des Innehaltens und Reflektierens werden von vielen Stiftern und Philanthropen als herausfordernd empfunden, weil Liebgewonnenes und Gewohntes in Frage gestellt wird. Sind überzeugende Antworten gefunden, kann die philanthropische Reise anschliessend mit um so grösserer Zuversicht und Sicherheit weitergehen.
Den eigenen Weg finden
Anlässe, Motive und Erscheinungsformen philanthropischen Engagements sind so vielfältig wie die Menschen selbst. Nur selten verläuft die philanthropische Reise gradlinig und ohne die eine oder andere Sackgasse. Die Bereitschaft, das eigene Handeln von Zeit zu Zeit kritisch zu reflektieren und bei Bedarf anzupassen, ist ein wichtiger Beitrag zur langfristigen Zufriedenheit von Stiftern und Philanthropen.
Das richtige Anliegen finden
Wie Philanthropen entdecken, wo sie wirksam werden wollen